Dieser Artikel ist die schriftliche Ausarbeitung eines Vortrags von Katrin Berger, erscheint im Tagungsband im Frühling 2023.

Katrin M. Berger (Jahrgang 1976) arbeitet als Beraterin an Schulen in Bremen (ReBUZ Bremen Ost) und selbständig als Lösungswerkstatt, wo sie als lösungsfokussierte Trainerin, Mediatorin und Beraterin nebenberuflich tätig ist. Lösungsfokus, Leichtigkeit, Kreativität und gute Kooperationen im Schulkontext zu fördern, ist ihr ein Herzensanliegen. Dies tut sie sowohl in der direkten Arbeit mit Kindern, Jugendlichen, Lehrkräften und Eltern, als auch durch Vortragstätigkeiten und Fortbildungen.

Sie ist Mutter und Bonusmutter von zwei erwachsenen Söhnen und lebt mit ihrem Ehemann im Umland von Bremen. 

Kontakt: Loesungswerkstatt@posteo.de

Website: www.Loesungswerkstatt-berger.de

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Sue Youngs Peer-Unterstützergruppen-Ansatz

Wie Mobbing in Schulen zum Verschwinden gebracht und durch Freundlichkeit und Kooperation ersetzt werden kann

von Katrin M. Berger  

In diesem Artikel stelle ich den Ansatz vor, den Sue Young entwickelt hat, zusammen mit den Ergänzungen, die ich hinzugefügt habe.

Ich arbeite in einer großen Beratungsstelle der Bildungsbehörde in Bremen. Das ist die Stadt der vier tierischen Bremer Stadtmusikanten, die für ihre gute Kooperation weltberühmt sind. Dort unterstütze ich Schüler und Schülerinnen, Lehrkräfte und Eltern in verschiedenen Situationen im Schulkontext. Daneben arbeite ich selbständig als Beraterin und lösungsfokussierte Trainerin und setze mich leidenschaftlich ein für ein hilfreiches und wertschätzendes Miteinander in vielen verschiedenen Kontexten.

In meiner Arbeit mit Schulen habe ich es oft mit Kindern zu tun, die unter Ausgrenzung und Mobbing leiden oder anderweitig nicht so recht in Kontakt zu anderen Kindern kommen, wie sie es sich wünschen. In diesen Fällen habe ich es dann meist mit traurigen oder sogar wütenden Kindern zu tun, oft auch mit besorgten Eltern und Lehrkräften, die dem Kind helfen wollen, aber nicht wissen, wie. Bei der Beratung dieser Fälle spreche ich über die Möglichkeit, das Problem mit einer Peer-Unterstützergruppe zu lösen.

Was ist Mobbing?

Was ist eigentlich mit ‚Mobbing‘ gemeint? Lassen Sie mich eine Definition versuchen. Der Begriff “Mobbing” wird zuweilen inflationär benutzt, was normale Kabbeleien oder Streitigkeiten zwischen Kindern vorschnell dramatisieren kann: 

„Mobbing ist definiert als ein unerwünschtes, aggressives Verhalten eines anderen Jugendlichen oder einer Gruppe von Jugendlichen, das:

(1) ein Angriff ist oder absichtlich Schaden verursacht

(2) auf physische oder psychische Art und Weise erfolgt

(3) wiederholt erfolgt (z. B. mehr als ein körperlicher Angriff, mehrere Gerüchte, etwas, das mit vielen Menschen über Technologie geteilt wird)

(4) ein beobachtetes oder wahrgenommenes Machtungleichgewicht besteht, z. B. zwischen dem Stärkeren und dem Schwächeren.

Es handelt sich nicht um Mobbing, wenn sich zwei Jugendliche auf spielerische, scherzhafte Weise gegenseitig necken.

Mobbing kann viele verschiedene Formen annehmen, wie zum Beispiel:

  • Physisches Mobbing – Schlagen, Treten, Stoßen, Schubsen einer Person
  • Beziehungsmobbing – eine andere Person absichtlich ausschließen oder ignorieren
  • Soziales Mobbing – Verbreitung von Gerüchten oder Tratsch über jemanden hinter dessen Rücken
  • Verbales Mobbing – Beschimpfungen oder Hänseleien auf verletzende Art und Weise
  • Cybermobbing – Einsatz von Technologie, z. B. mit einem Telefon oder einem Computer über das Internet.“

(Quelle: Dawes, M., Starrett, A. & Irvin, M.J. Measure Development and Validation: Perceived Motives for School-Based Bullying. Int Journal of Bullying Prevention (2022). https://doi.org/10.1007/s42380-022-00155-5)

Mobbing in Zahlen

Der 2017 veröffentlichten PISA-Studie der OECD zufolge ist in Deutschland jede sechste Schülerin/ jeder sechste Schüler im Alter von 15 Jahren von Mobbing betroffen bzw. betroffen gewesen. Doppelt so viele Kinder und Jugendliche haben Angst vor Gewalt, Mobbing oder Ausgrenzung in der Klasse und auf dem Schulhof oder fürchten sich auf dem Schulweg davor, in unangenehme Situationen zu geraten und Gefahren ausgesetzt zu sein, so eine Studie der Bertelsmann-Stiftung.

(Quelle: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2019/juli/nehmt-sie-ernst-junge-menschen-wollen-gehoert-und-beteiligt-werden/)

Traditionelles Anti-Mobbing

Mobbing ist kein neues Phänomen. Ich bin sicher, dass es – vermutlich seit jeher – in jeder Schule vorkommt. Das öffentliche Interesse an dem Thema kam in den 90er Jahren auf und es wurde dann im Bildungsbereich intensiv behandelt. Ich erinnere mich daran, weil ich in diesen Jahren zur Universität ging und Diplompädagogik studierte. Es wurden zahlreiche Anti-Mobbing-Projekte gestartet und einige davon evaluiert. Der Ansatz von Sue Young war noch nicht dabei. Es gab zum Beispiel Programme in Norwegen und Schweden, in England und in Finnland. 

Quellen:

Dan Olweus in Norwegen und Schweden (Bergen Project & some others – https://olweus.sites.clemson.edu/effectiveness.php)

Peter Smith in England (Sheffield Project – https://www.researchgate.net/publication/261691920_Bullying_in_schools_The_UK_experience_and_the_Sheffield_Anti-Bullying_Project)

Christina Salmivalli in Finland (KIVA – https://www.researchgate.net/profile/Christina-Salmivalli)

Smith, P. K., Pepler, D., Rigby, K. (2004 und 2008) Bullying in Schools: How Successful Can Interventions Be?

Was diese Ansätze alle gemeinsam hatten:

  • Sie versuchten, mit ihren Forschungen und Programmen das Bewusstsein für das Problem zu schärfen.
  • Sie haben Umfragen zum Thema Mobbing durchgeführt.
  • Es wurden Schulungen für Fachleute zum Thema Mobbing angeboten sowie
  • Unterrichtsstunden für Schüler zum Thema Mobbing, wie auch Diskussionen dazu und andere Aktivitäten.
  • Und sie haben versucht, Strategien für den Umgang mit Einzelfällen zu finden.

Sie untersuchten das Problem, indem sie Fragen stellten wie: 

Was ist Mobbing? Wer mobbt und warum? Wer sind die Opfer und warum? Wo geschieht es? 

All dies, um Strategien für den Umgang mit Mobbing zu entwickeln und um Mobbing zu reduzieren. 

(Quelle: vgl. Young, Sue (2009) Solution-Focused Schools – Anti-Bullying and Beyond)

Doch die Ergebnisse waren meist enttäuschend:

  • Ein Rückgang des Mobbings wurde bestenfalls kurzfristig erreicht, 
  • in einigen Fällen kam es sogar zu einer Zunahme des Mobbings.
  • Es gab keine eindeutigen Beweise dafür, was genau funktioniert
  • und die Schulen brachen die Projekte teilweise ab oder setzten die Ansätze nicht vollständig um.
  • Und Schulen ohne Unterstützung durch externe Berater und Ansätze erzielten bessere Ergebnisse. Sie hatten einige Schulen als Kontrollgruppe, die die Aufgabe hatten, Mobbing selbst zu reduzieren. 

Quelle: Smith, P. K., Pepler, D., Rigby, K. (2008) Bullying in Schools: How Successful Can Interventions Be?

Es scheint, dass es für das Ziel: “Mobbing zu reduzieren” nicht genügt – vielleicht sogar auch gar nicht hilfreich ist, ein Experte für Mobbingverhalten zu werden. Und trotzdem haben wir auch heute noch viele dieser problemorientierten Anti-Mobbing-Projekte in Schulen…

Wahnsinn ist, immer wieder und wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.

(Albert Einstein)

Versuchen wir also etwas anderes! 

+ + + + + + + + + + + + +

Kleine Übung für Lehrkräfte:

Denken Sie bitte an ein Verhalten, das ein Kind Ihnen mitteilen könnte, wenn es sagt, es sei gemobbt worden! Was könnte dem Kind widerfahren sein?

Entspannen Sie sich, Sie können immer noch absolut problemorientiert sein. Es ist erstaunlich, dass Menschen oft kreativer sind, wenn sie problemorientiert denken….

Was könnte Ihnen also ein Kind erzählen?“

Versuchen Sie dann in einem zweiten Schritt, das problematische Verhalten in das Verhalten zu übersetzen, das Sie stattdessen sehen wollen!

Unerwünschtes VerhaltenErwünschtes Verhalten
Gehänselt werden
Körperlich attackiert werden
Ausgeschlossen werden
Ignoriert werden
Es werden Gerüchte gestreut / Verleumdung
Ausgelacht werden
Eigentum wird beschädigt
Es wird bedroht oder erpresst
Stopp-Signale werden nicht beachtet
Abwertung, Erniedrigung


Wir richten den Scheinwerfer auf das, was wir sehen wollen. 

Das wird mehr, was unsere Aufmerksamkeit bekommt!

Mögliche Auflösung der Übung / Übersetzung:

Jeder wird so angenommen, wie er / sie ist, 

Fehlerfreundlichkeit

Sicherheit und Schutz für alle / körperliche Unversehrtheit

Dazugehörigkeit, Zusammenhalt

Niemand  muss allein sein, wenn er/sie das nicht will

Interesse zeigen, einander wahrnehmen  

Bestätigung erfahren / Bestätigung  geben

Ehrlichkeit

Unterschiedlichkeit ist wertvoll, 

Konflikte direkt lösen

Gemeinsam lachen 

Eigentum wird geachtet und Material sorgsam behandelt

Aushandeln von Interessen auf Augenhöhe

Stopp und persönliche Grenzen werden geachtet

Bestärkung, Komplimente, Ermutigung untereinander

Gehirnverwirrung bei der Verarbeitung der Worte “nicht” und “kein”

Wir kennen es alle: Wenn wir sagen: “ich rauche nicht mehr”, müssen wir an Rauchen und Zigaretten denken, schon allein, um den Satz zu verstehen. “Denke nicht an einen rosa Elefanten!” und schon haben wir alle eine Vorstellung von genau diesem. Um die Bedeutung des Wortes „Mobbing“ zu erfassen, müssen wir uns ein inneres Bild von Mobbingverhalten oder von Mobbingerleben machen. Aufgerufene innere Bilder wirken sich erfahrungsgemäß unmittelbar auf unser Erleben und eventuell auch auf unsere Handlungen aus. Das passiert meiner Erfahrung nach unweigerlich. Wir können dies jedoch für das nutzbar machen, was wir erreichen wollen, indem wir unseren Fokus bewusst setzen und bewusst Bedeutungen geben sowie andere ebenfalls zu einer ressourcenorientierten Perspektive einladen, die den Handlungsspielraum erweitert.

Fokussieren wir auf das unerwünschte Verhalten, können wir zwar Experten für das werden, was wir loswerden wollen, aber haben unter Umständen noch keine Vorstellung davon, was wir stattdessen sehen oder tun wollen und wie wir dorthin gelangen.

Bei Mobbing (u.a. unerwünschtem Verhalten) tun wir also gut daran, sowohl innere Bilder als auch Interaktionen zu bestärken, die alle Beteiligten dem erwünschten Erleben und Verhalten näherbringen. 

Um ein gutes Vorbild zu sein, werde ich jetzt aufhören, über Mobbing zu schreiben und lade Sie ein, eine andere Perspektive einzunehmen. Konzentrieren wir uns auf das, was wir stattdessen sehen wollen! Auf die Kultur des freundlichen und kooperativen Miteinanders, die vor unserem inneren Auge entsteht, wenn wir die obige Spalte mit den Übersetzungen lesen..

Steve de Shazer, einer der Begründer des Lösungsfokussierten Ansatzes soll gesagt haben:

“Reden über Probleme schafft Probleme

Reden über Lösungen schafft Lösungen”

Der Schritt, den wir nun vom einen Ufer zum anderen machen, führt uns direkt zu Sue Young und dem Peer-Unterstützergruppen Ansatz.

Sue Young

Sue Young ist Sonderpädagogin in Hull, in Großbritannien. Mitte der 90er Jahre hatte sie die Aufgabe, in ihrer Region Anti Mobbing-Interventionen für Grundschulen zu entwickeln. Sie war bereits eine lösungsorientierte Lehrerin und Trainerin und stand in Kontakt mit der Mitbegründerin des Lösungsfokussierten Ansatzes, Insoo Kim Berg. Während sie bei der Entwicklung der Methode ausschließlich auf das erwünschte Verhalten der Beteiligten fokussierte, welches sie anstelle des Mobbing Verhaltens sehen wollte, blieb der Begriff Mobbing nahezu unbeleuchtet. Es ging ihr um die Förderung von Freundschaft und einer freundlichen und sicheren Klassen- und Schulkultur. Den Ansatz, den sie begründete, nannte sie den  Peer-Unterstützergruppen-Ansatz. Dieser hält sowohl lösungsfokussierte Methoden für den Einzelfall als auch für die Klasse als Ganzes vor. Später veröffentlichte sie Bücher und Buchbeiträge zum Ansatz, die zum Teil in mehrere Sprachen übersetzt wurden und war (bzw. ist noch gelegentlich) international mit Fortbildungen und Vorträge tätig. Jetzt ist sie im Ruhestand.

Mir bekannte veröffentlichte Bücher/Buchbeiträge:

  • Beitrag in: Peter De Jong/Insoo Kim Berg Lösungen (er)finden – Das Werkstattbuch der lösungsorientierten Kurzzeittherapie Verlag Modernes Lernen Dortmund, 1998 / 6. überarb. Auflage 2008
  • Sue Young, Solution-Focused Schools – Anti-Bullying and Beyond, 2009 / BT Press
  • Sue Young, Lösungsfokussierte Schule: Jenseits von Anti-Mobbing, Solutions Academy 2015
  • Beitrag in: Manfred Vogt (Hrsg.) WOWW in Aktion – Lösungsfokussierte Praxis macht Schule, Verlag Modernes Lernen 2015
  • Research Article by Sue Young, Educational Psychology in Practice Vol. 14, April 1998, https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/0266736980140106

Young, Sue and Holdorf, Gail(2003) ‚Using solution focused brief therapy in individual referrals for bullying‘, Educational Psychology in Practice, 19: URL: http://dx.doi.org/10.1080/0266736032000138526

Der Peer Unterstützergruppen Ansatz

Der Ansatz beruht auf zwei Säulen – die lösungsorientierte Basis für die ganze Klasse als die eine Säule und die schnelle individuelle Unterstützung für den Einzelfall als die andere Säule.

Die erste Säule – die lösungsorientierte Basis

Die erste Säule ist die beste Mobbingprävention. Es geht darum, eine freundliche und hoch-interaktive Klassenkultur zu schaffen. Dazu empfehle ich Insoo Kim Bergs Kim (Insoo Kim Berg und Lee Shilts, Einfach KLASSE: WOWW-Coaching in der Schule, 2009), ein Vorgehen, welches ich laufend an unterschiedliche Kontexte anpasse, oder lösungsorientiertes Lerncoaching (Max Woodtli und Katalin Hankovszky) und viele andere lösungsorientierte Methoden – die das Ziel haben,  SchülerInnen in Interaktion zu bringen und ihnen einen Rahmen zu geben, in welchem sie sich selbstwirksam und von ihrer besten Seite zeigen und erleben können. In meiner Praxis erweist sich dies tatsächlich als der entscheidende Punkt:

Wir sollten die Lernenden in Interaktion bringen und ihnen einen Rahmen bieten, in welchem sie glänzen können und zugleich lernen, auch andere glänzen zu lassen.

Die Interaktionsförderung und positive Rahmung kann permanent stattfinden und die gesamte Methodik und Kommunikation auf eine gute Weise ausrichten. Einige Beispiele:

Die Förderung der Interaktion gehen Schulen z.B. auf folgende Weise an:

  • durch wechselnde Sitzordnungen 
  • durch wechselnde, häufige (auch kurze) Partner- oder Gruppenarbeit – teilweise durch Zufallseinteilung
  • durch Melde-Ketten und / oder Moderationanteile von SchülerInnen
  • durch wechselnde Dienste und Zuständigkeiten für die Gemeinschaft
  • durch Kraft- oder Ressourcenbücher, in welchen SchülerInnen untereinander sich bestärkende Rückmeldungen/Komplimente geben

(Quelle: Zehnder Schlapbach, Sabine & Caduff Scheuner, Alice (2008): Ein Kraftbuch für die Schule – Ideen zum ressourcenfokussierten und lösungsorientierten Arbeiten in der Schulklasse. In: Vogt Manfred, Caby Filip (Hrsg.). Ressourcenorientierte Gruppentherapie mit Kindern und Jugendlichen. Verlag modernes Lernen, Borgmann, Dortmund.), 

  • durch Anleitung und Durchführung von Kooperationsspielen, auch für die Pausengestaltung
  • durch partizipative Elemente wie den Klassenrat oder Morgenkreis
  • durch Theateraufführungen oder andere erlebnisorientierte Unternehmungen
  • usw.

Die positive Rahmung stellen Schulen z.B. auf folgende Weise her:

  • durch gut abgestimmte Klassenregeln und Rituale
  • durch Fragen, welche die Kinder dazu bringen, ihre Gelingens-Strategien zu erzählen und sich selbst Komplimente zu machen
  • durch echtes Interesse und zuversichtliche Präsenz durch die Lehrkraft
  • durch wertschätzende und respektvolle Rückmeldungen zum Lern- und Entwicklungsstand
  • durch eine gute Kooperation im Klassenteam (Lehrkräfte der Klasse)
  • durch das WOWW Klassencoaching
  • durch den Peer-Unterstützergruppen Ansatz
  • durch den KidsSkills Ansatz von Ben Furman bzw. Meisterklasse Projekt (z.B. https://www.kidsskills.org/German/)
  • durch das Lösungsfokussierte Lerncoaching 
  • durch Projekttage zur Stärkung eines erwünschten Verhaltens (Freundschaftswoche, Gesundheitswoche, Talente-Tag… usw.)
  • durch eine gute Kooperation der Lehrkräfte mit den Eltern
  • durch eine schöne und förderliche Raumgestaltung und Gestaltung des Schulgeländes
  • usw.

Die zweite Säule – Einzelfall-Soforthilfe

Die zweite Säule – die Soforthilfe für den Einzelfall – bzw. für ein unglückliches Kind – werde ich anhand eines Fallbeispiels vorstellen: Es ist die Geschichte von Kostja. Ich möchte darauf hinweisen, dass ich hier und im Folgenden alle Namen geändert habe.

Anruf der Mutter

Ich erhielt einen Anruf von einer besorgten Mutter:

Ihr 9-jähriger Sohn Kostja klage über Bauchschmerzen und andere Beschwerden und beginne die Schule zu meiden. 

Mit der Verweigerung des Kindes, zur Schule zu gehen, erhöht sich erfahrungsgemäß deutlich die Sorge und Anspannung, sowohl bei den Eltern als auch bei der Schule.

Zudem habe Kostja seiner Mutter erzählt, dass er fast täglich von bestimmten Kindern in seiner Klasse gehänselt würde und dass viele über ihn lachen würden. Seine Mutter habe sich bereits an die Schule gewandt, und einige der Kinder seien schon mehrmals ermahnt worden. Leider ohne die gewünschte Wirkung. Die Mutter denkt bereits über einen Umzug in einen anderen Bezirk nach, damit ihr Kind die Schule wechseln könne.

Klärung des Vorgehens:

Zeitnah wurde ein gemeinsames Gespräch mit der Lehrkraft, der Mutter und mir angesetzt. Die Mutter und die Schule nahmen meinen Vorschlag an, eine Peer-Unterstützergruppe für Kostja einzurichten. Damit das Schulpersonal Situationen wie diese beim nächsten Mal eigenständig lösen kann, bat ich darum, dass mich jemand von der Schule beim Vorgehen begleitet. Man stellte mir Nadja, die Sozialarbeiterin der Schule, zur Seite.

Erstgespräch mit dem betroffenen Kind:

Wir sprachen erstmals mit Kostja und nahmen ihn dafür aus einer Unterrichtsstunde heraus. Es empfiehlt sich vorher zu erfragen, welche Unterrichtsstunde er gerne versäumt. Das macht es dem Kind leichter. Wir führten das Gespräch in einer leichten, wertschätzenden und optimistischen Art und Weise. Nach einem kurzen, Vertrauen stiftenden Gespräch zum Einstieg, erzählten wir ihm, dass seine Mutter und seine Lehrerin sich Sorgen um ihn machten. „Wusstest du das?“. „Sie wünschen sich für dich, dass du in der Schule glücklicher bist!“. „Denkst du, sie haben Recht, sich Sorgen zu machen?“. Auf diese Weise ist es für das Kind leichter und mit etwas Abstand über die Situation zu sprechen. Kostja antwortete mit „Ja!“ und nickte. Er wolle auch, dass es für ihn besser laufe. Ich sagte, dass Nadja und ich helfen werden. 

Wir fragten Kostja, mit welchem Kind bzw. mit welchen Kindern er in der Schule manchmal Schwierigkeiten habe, und wir notierten die Namen. Zwei Jungen wurden benannt: Jaden und Finn. Wir fragten, wer sonst noch in der Nähe sei, wenn die Schwierigkeiten auftreten. Hier erhielten wir drei Namen, zwei Jungen und ein Mädchen, die – wie er beschrieb –  alle Finn und Jaden bewundern würden. Und wir fragten nach Kindern, die freundlich zu ihm seien oder mit denen er sogar befreundet sei.. Hier konnte er uns zwei Namen nennen. „Sie sind keine Freunde“, sagte er, „aber sie sind in Ordnung“ –  Mia und Tom. 

Wir fragten ihn noch, wie die derzeitige Situation in der Schule für ihn sei. Wir erfragten dies mit Hilfe einer Skala – von 1 bis 10; wobei 10 heißt, dass es für ihn bestmöglich läuft und 1 das andere Ende bedeutet. Kostja nannte die 2. Er schien erleichtert zu sein, dass er nicht über seine unangenehmen Erfahrungen sprechen musste.

Wir sagten, dass wir einige Kinder bitten würden, mit uns eine Unterstützergruppe zu bilden. Kostja sollte einfach beobachten, was sich verbessert. Dann vereinbarten wir ein nächstes Treffen für die kommende Woche.

An dieser Stelle habe ich einen Zusatz zu Sue Youngs Vorgehen gemacht: Wir fragten Kostja zuletzt noch, ob er mitmachen wolle, wenn wir mit der Gruppe ein Spiel spielen. Das wolle er gern, sagte er und es gab ein plötzliches Lächeln und Funkeln in seinen Augen. Dieses erweiterte Vorgehen mit dem Hinzufügen eines Kooperationsspiels und der Einbeziehung des betroffenen Kindes hat mehrere Vorteile, auf die ich später noch eingehen werde. Nach etwa 10 Minuten ging Kostja zurück in die Klasse und wir sammelten die Kinder ein, die Kostja bei unserem Gespräch benannt hatte. 

Erstes Treffen mit der Gruppe:

Die Kinder in der Gruppe wurden nicht gefragt, sondern lediglich zusammengerufen: „Kommt mit, wir brauchen eure Hilfe!“. Ich frage auch nicht die Eltern der Kinder in der Gruppe um Erlaubnis. Ich handhabe es wie eine normale Kleingruppenarbeit in der Schule.

Da saßen die 7 Kinder vor uns – ohne Kostja – einige mit einem besorgten Gesichtsausdruck, weil sie schon ahnten, dass es mit Kostja zu tun hatte, weil ja schließlich Kostja vorher aus der Klasse geholt worden war. Wir schufen aber wieder eine leichte, optimistische und wertschätzende Atmosphäre, so dass die Sorgen schnell verflogen. „Wir sind so froh, euch hier zu sehen!!“.  „Ihr fragt Euch sicher, warum wir Euch hierher gebeten haben?“. Wir stellten uns vor und sagten: „Unsere Aufgabe ist es, zu helfen, wenn Kinder in der Schule unglücklich sind.“.  „Wart Ihr jemals unglücklich in der Schule?“. Die Kinder nickten: „Ja! Das waren wir!“. Ohne weiter darauf einzugehen, fokussieren wir auf Kostja.

„Heute sind wir wegen Kostja hier.  Ihr kennt ihn alle, nicht wahr? Wir wollen erreichen, dass er in der Schule glücklicher ist. Dafür brauchen wir immer Kinder, die uns dabei helfen. Wir haben euch ausgewählt, weil wir wissen, dass ihr genau die richtigen seid, die helfen können! Meint ihr, er könnte unsere Hilfe gebrauchen?  Ihr kennt ihn doch gut, oder?“. Beides wurde bejaht.

Mehr und mehr entwickelten die Kinder den Wunsch (uns) zu helfen. Wir fragten sie, wo sie die Situation auf der bereits erwähnten Skala im Moment sehen. Sie sahen sie bei einer 3. Nun fragten wir sie nach ihren Ideen und was sie sich vorstellen könnten zu tun, was helfen könnte. Wir schrieben die Vorschläge auf Moderationskarten auf und jedes Mal, wenn ein Kind einen Vorschlag machte, reagierten wir sehr positiv, anerkennend und stellten manchmal auch konkretisierende Fragen: „Wie zeigt er, dass es ihm gefällt?“. „Wow, so ein netter Vorschlag!“. „Kannst du das alleine machen oder brauchst du Hilfe von anderen?“. Sie schlugen vor, in den Pausen mit ihm zu spielen… Fangen, Verstecken, Fußball und wollten für ihn da sein, wenn sie sich paarweise aufstellen sollen. Mia wollte ihm morgens „Hallo!“ zu sagen, Tom ihn zu beschützen, wenn jemand auf ihm herumhackt und Jaden wollte ihm zu helfen, wenn er Hilfe braucht, Finn schlug vor, ihn zum Lachen zu bringen und beim Mittagessen neben ihm zu sitzen, andere wollten ihm Materialien ausleihen, ihm im Unterricht helfen, wenn er etwas nicht kann… usw.

Die Kinder wollten unser engagiertes, fröhliches und wertschätzendes Feedback und selbst die Kinder, die in der Vergangenheit massive Schwierigkeiten mit Kostja hatten, brachten Ideen ein oder schlossen sich den Ideen der anderen an. Sie wurden von uns nicht zu Mitleid oder zu Freundschaft zu Kostja genötigt. Sie taten es, weil sie uns gern helfen  und unsere Anerkennung erhalten wollten. Sie genossen es auch, Teil einer hilfreichen und hervorgehobenen Gruppe zu sein. 

Für die kommende Woche wurde ein nächstes Treffen vereinbart. Am Ende der Sitzung wurde ein Kooperationsspiel gespielt. Kostja nahm ab dem zweiten Termin an dem Kooperationsspiel teil. Das war mir in diesem Fall lieber, da ich die Dynamik der Gruppe noch nicht einschätzen konnte. In anderen Fällen habe ich das betroffene Kind auch schon beim ersten Kooperationsspiel dazugeholt. 

Das Kooperationsspiel ist eine meiner Ergänzungen, die ich beim Ansatz vorgenommen habe. Sue Young reagierte sehr positiv, als ich ihr von meinen Erfahrungen damit erzählte.

Für das Hinzufügen des Kooperationsspiels mit Beteiligung des betroffenen Kindes 

gibt es einige gute Gründe:

  • Kinder haben, meiner Erfahrung nach, heute immer weniger Ideen und Anregungen, wie sie auf dem Schulhof miteinander spielen können. Es fehlt ihnen oft an Spielen, bei denen es keine Verlierer gibt. Sie können die mit uns gespielten Spiele dann eigenständig in den Pausen spielen.
  • Wir sehen beim Spielen, wie die Kinder miteinander umgehen und das betroffene Kind einbeziehen.
  • Das betroffene Kind sieht, wer genau zur Helfergruppe/Peer-Unterstützergruppe gehört und kann sich durch diese Transparenz sicherer fühlen.
  • Das betroffene Kind bekommt Übung im Spiel mit anderen. Manchmal waren die Kinder lange Zeit isoliert und sehr unbeholfen im Umgang mit anderen.
  • Die Kinder und Erwachsenen bekommen neben all dem „Reden“ ebenfalls Bewegung und Spaß.

Nach dem Spiel formieren wir die Kinder zu einem Kreis, die Hände auf den Boden in die Mitte und lassen eine gemeinsame “Rakete steigen” indem wir die Hände bei einem “Danke und Tschüss” in die Luft werfen. Die Zeit mit der Helfergruppe einschließlich des Spiels beträgt etwa 20 Minuten.

Bis zum Folgetreffen…

Die nächste Woche brachte Veränderungen in der Klasse. Die Anführer, Jaden und Finn, hörten weitgehend auf, Kostja zu provozieren und sie und die anderen bezogen ihn sogar in Spiele ein. Was für ein Signal auch für Kinder, die nicht in der Unterstützergruppe sind! Und Kostja zeigte sich ebenfalls anders, fröhlicher und bereit, mit den anderen zu spielen. Ein positiver Kreislauf kam in Gang.

Das Folgetreffen mit Kostja

Nach einer Woche sahen wir Kostja wieder. Wir versuchten herauszufinden, ob sich etwas verbessert hatte und fragten: „Was ist diese Woche gut gelaufen?“. Wir gaben ihm viel Raum für seine Beschreibungen und fragten beharrlich nach: „Was noch? Was noch?“, „Wie genau hast du das geschafft?“, „Wie hast du dazu beigetragen?“. Wir wollten, dass er sich auf das konzentriert, was er erreicht hat und sich als selbstwirksam erlebt. Er sollte nicht zu sehr in der Rolle des Hilfeempfängers angesprochen werden, sondern sich seiner eigenen, hilfreichen Interaktionsbeiträge stärker bewusst werden. Kostja erzählte uns von einigen Spielsituationen in der Pause, dem Versteck- und Fußballspielen, und von einer schwierigen Situation beim Fußball, die durch zwei Kinder aus der Unterstützergruppe und auch durch sein eigenes Handeln gut beendet werden konnte.

Auf der Skala, sagte er, sei er jetzt bei einer 5. „Wow! Glückwunsch! Wie hast du das geschafft?“

Wenn man Kinder nach dem Gelingen und dem Weg zu ihrem bereits erreichten Erfolg fragt, werden sie sich ihrer eigenen Strategie bewusster und haben die Möglichkeit, mit ihrer Antwort sich selbst Komplimente zu geben. Auf die Frage, ob seine Mutter die Veränderungen bemerkt hat, sagte er, dass sie ihn in der letzten Woche morgens nicht mehr so oft wecken musste. Außerdem würde sie ihn nach der Schule fragen, was gut sei, und er könne nun etwas erzählen. Und sie sieht das Lächeln auf seinem Gesicht, wenn er von der Schule nach Hause kommt.

Hier muss ich hinzufügen, dass ich der Mutter im Vorfeld empfohlen habe, sich jeden Tag für die guten Dinge und die Erfolge von Kostja zu interessieren.

Das Folgetreffen mit der Unterstützergruppe

Kostja ging und die Gruppe kam herein. Wir fragten die Gruppe auf die gleiche offene Art und Weise: 

„Was habt ihr diese Woche beobachtet?“, „Hat irgend etwas geholfen?“, „War irgend etwas gut?“, „Was genau habt ihr beigetragen?“.  Sie genossen es sehr, über ihren Erfolg, ihre Spielangebote und ihre Beobachtungen zu sprechen. 

Was wir nicht getan haben, ist, den Plan der Gruppe von letzter Woche durchzugehen. Es geht nicht um Kontrolle – und damit dann um Beschämung, falls etwas nicht umgesetzt wurde. Es geht darum, sie zu motivieren und ihnen zu helfen, Hilfreiches zu erkennen und weiterzumachen. Sie üben auf eine nette Art und Weise, als Team miteinander zu kooperieren. Kinder vergessen zuweilen ihre Vorsätze oder tun plötzlich etwas Ungeplantes, was jedoch unter Umständen sehr, sehr hilfreich sein kann. Daher fragten wir ganz offen.

Wir bedankten uns bei den Kindern herzlich für ihre Beiträge und für ihre guten Beobachtungen. 

Wieder wurde eine Skalierung vorgenommen. Die Gruppe sah Kostja bei einer 4 und freute sich sehr, als sie hörte, dass es für ihn bereits eine 5 war. Dann sammelten wir ein paar ergänzende Ideen für die nächste Woche und verabredeten ein Wiedersehen. 

Zum Schluss unseres Treffens spielten wir wieder ein oder zwei Kooperationsspiele. Kostja wurde dazu geholt. Das Spielen machte allen viel Spaß und Kostja konnte sich gut einfügen – er war, auf eine gute Art und Weise, einfach einer von ihnen.

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Meine vier beliebtesten Kooperationsspiele für die Peer-Unterstützergruppe

  1. Eisbär und Pinguine

Benötigt wird eine Eisscholle. Das kann ein Flipchart-Papier oder eine Wachstischdecke oder Plane (ca. 1,20m x 1m) sein. Alternativ kann man dafür auch z.B. auf dem Schulhof auf bestimmte Bereiche/Geräte/Flächen zeigen, welche jeweils die Eisscholle sein sollen. Alle Kinder sind Pinguine, der/die Erwachsene ist Eisbär. 

Die Kinder haben die Aufgabe, sich alle auf die Eisscholle zu retten, wenn der Eisbär sagt, dass er Hunger hat. Gerettet sind alle, wenn kein Fuß auf den Boden außerhalb der Eisscholle kommt.

Es werden mehrere Runden gespielt, wobei die Eisscholle jedes Mal ein wenig schmilzt (abreißen oder umklappen des Papiers/der Plane oder benennen eines kleineren Areals (auf dem Schulhof). Die Pinguine müssen Strategien entwickeln, wie sie alle retten können.

Strategien sind zum Beispiel:

  • Kind nimmt ein anderes auf den Rücken
  • Kinder stellen sich auf nur ein Bein und halten einander fest, damit sie nicht wegkippen

Es gibt noch die erschwerende Variante, dass ein Pinguin die Augen verbunden bekommt oder zwei Pinguine jeweils mit einem Bein zusammengebunden werden. Dann geht es darum, die Beeinträchtigten mit zu retten.

Man sollte das Spiel so enden lassen, dass die Kinder es noch schaffen können.

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  1. Wasserball Teamrekord

Ein aufgeblasener Wasserball wird durch Anticken in der Luft gehalten. Alle strengen sich an, dass er nicht auf den Boden fällt. Fällt er auf den Boden, wird wieder neu gestartet. Jedes Anticken wird gezählt und die erreichte Tickzahl ist der aktuelle Teamrekord. Idealerweise wird so gespielt, dass der Ball von möglichst allen mal getickt wird und nicht von einer Person mehrfach. Es empfiehlt sich aber, nicht zu streng dabei zu sein.

Hilfreich ist es, gut verteilt zu stehen, einander im Blick zu behalten und den Ball von unten anzuticken und nicht von oben. So bleibt mehr Zeit für andere, den Ball anzunehmen. Der Rekord kann so oder so gefeiert werden. In der Regel entsteht der Wunsch, den eigenen Rekord beim nächsten Mal zu brechen und besser zu werden.

Man kann alternativ auch einen Luftballon nutzen, was jedoch einfacher ist als mit Wasserball.

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  1. Pantomime

2-3 Kinder bekommen einen Begriff gesagt, den sie den anderen wortlos pantomimisch vorspielen sollen. Die übrigen Kinder erraten den Begriff.

Hier nehme ich gerne soziale Fähigkeiten, die gespielt werden, wie z.B.:

einander helfen, jemanden trösten, mitspielen lassen, sich anfreunden, Streit lösen, jemanden beschützen,  jemandem etwas beibringen, mutig sein…

Alternativ kann auch jedes Kind ein Tier vorspielen und man stoppt die Zeit für den Teamrekord: Wie lange brauchen wir, um alle Tiere zu erraten?

Eine weitere Variante ist, dass ich ein Setting benenne. Ein Kind muss raten und kennt das Setting/den Begriff nicht. Alle anderen kennen das Setting/den Begriff und spielen es (pantomimisch).

Zum Beispiel “im Supermarkt”, “im Schwimmbad”, “in der Schule”, “im Bus“, „im Zirkus“, “im Kino”, “in der Küche”, “im Badezimmer”…

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  1. Tischtennisball ins Tor pusten

Die Gruppe steht um einen Tisch (gut eignet sich ein Tisch 1,5m x 2m) und auf einer Seite ist ein Tor (mit zwei Gegenständen begrenztes Tor, ca. 20 cm breit). Am anderen Ende des Tisches startet der Tennisball, der nur mit Pusten in Richtung Tor bewegt werden darf. Fällt er vom Tisch, bevor er im Tor landet, startet das Team wieder von vorne.

Die Gruppe entwickelt eine Strategie mit vorsichtigem Pusten und guter Positionierung der Teammitglieder.

(In der Corona-Pandemie habe ich auf dieses Spiel verzichten müssen)

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Der Kontakt zu den Eltern und zur Lehrkraft

Die Eltern – in diesem Fall die Mutter – und die Lehrerin wurden während des gesamten Verlaufs auf  Stand gehalten und ihre Beobachtungen und Einschätzungen auf der Skala wurden ebenfalls erfragt. 

Besorgte Eltern neigen dazu, das Kind nach neuen Schwierigkeiten zu befragen. Das ist verständlich, aber für das betroffene Kind wenig hilfreich. Kostjas Mutter hatte ich gebeten, zwar offene Ohren zu haben, wenn Kostja von Schwierigkeiten erzählt, jedoch nicht aktiv danach zu fragen. Stattdessen sollte sie fragen, was am Schultag gut war und wie Kostja dazu beigetragen hat. Erzählt ein Kind von Streit und anderen Schwierigkeiten, so empfehle ich den Eltern, dass sie auf die Bewältigung des Problems fokussieren helfen. “Was hat dann genau geholfen?”, “Was hat Dir früher schon mal in solchen Situationen geholfen?”.

Weitere Termine

Nach weiteren 4 Terminen im Stil des Folge-Gesprächs erfuhren wir von den verschiedenen Seiten, dass Kostja auf der Skala eine 9 erreicht hatte. Für uns war das ein Zeichen, einen Abschlusstermin vorzuschlagen. 

Selbst eine 8 auf der Skala ist ein guter Zeitpunkt abzuschließen. Allerdings sollte genau geschaut werden, ob die Einschätzung auch von mehreren Seiten geteilt wird. Zuweilen äußern sich betroffene Kinder aus unterschiedlichen Gründen sehr schnell sehr positiv. Im Zweifelsfall lasse ich die Kinder noch eine weitere Woche helfen.

Es kann vorkommen, dass die 8 oder 9  bereits nach 2-3 Terminen geschafft ist. Manchmal braucht es jedoch länger oder die Eltern oder Lehrkraft wünschen noch etwas Stabilisierung des Erreichten. Sollte jedoch nach 8 Terminen noch keine befriedigende Situation erreicht sein, kann es Sinn machen, das Vorgehen zu überdenken und die Gruppe abzuschließen, um die Kinder nicht zu überfordern. In einem solchen Fall von mir ging es in den Bereich der Kindeswohlgefährdung, die im häuslichen Umfeld deutlich wurde. In einem anderen Fall zeichnete sich eine psychiatrische Thematik beim betroffenen Kind ab, die eine Beendigung vor Erreichen der 8 nahe legte.

Der Abschluss

Wir beschlossen, das letzte Treffen zu nutzen, um uns bei der Gruppe zu bedanken und jedem eine Urkunde dafür zu überreichen, dass er oder sie die Klasse zu einem freundlicheren Ort gemacht hat.

Wir hatten nicht erwartet, was dann passierte. 

Die Kinder der Unterstützergruppe, einschließlich Kostja, wollten weiter Gruppe sein. Sie beschlossen, auch ohne uns weiterzumachen und überlegten, sich nun „Freundschaftsagenten“ zu nennen. Ihre Mission: Die Klasse, das Miteinander und den Schulhof noch freundlicher zu machen. 

Kostjas Schulbesuch war wieder gesichert und die Mutter und die Lehrerin waren sehr erleichtert.

Die Nachhaltigkeit sichern

Die Einzelfallhilfe ist ein wichtiger Schritt. Aber um eine langfristige Wirkung in der Klasse zu erzielen, müssen wir eine bereits oben erläuterte Alltagskultur der Wertschätzung und des kooperativen Miteinanders pflegen (erste Säule des Ansatzes). 

Wie erfolgreich sind Peer-Unterstützergruppen?

Wir gehen davon aus, dass die meisten Kinder, die andere schikanieren, dies nicht aus sadistischen Motiven tun, sondern um Führungsverhalten zu üben und selbst mehr Einfluss zu gewinnen. Wenn man sie fragt, ob sie wissen, wie sich ihr Verhalten für andere anfühlt, wissen sie das in der Regel sehr gut. Sie brauchen also keine Nachhilfe in Empathie. Man muss sie auch nicht über die Auswirkungen von Mobbing aufklären. Sie werden nämlich nicht damit aufhören, solange ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse keinen besseren Weg finden.

Mit der Aufgabe, die wir ihnen mit der Unterstützergruppe geben, bieten wir ihnen einen Rahmen, in welchem sie Anerkennung und Wichtigkeit erleben. Es ist ein Rahmen, in welchem sie die Möglichkeit haben, Führung zu trainieren – aber hier für einen guten Zweck. Ihr Bedürfnis wird damit in der Regel befriedigt und wir  erhalten ihre Kooperationsbereitschaft.

Wenn jedoch die erste Säule des Ansatzes – die Förderung einer kooperativen Klassen-Teamkultur vernachlässigt wird, werden die Kinder, welche Führungsverhalten üben wollen, möglicherweise auch nach einer Unterstützergruppe wieder auf die alten Strategien zurückgreifen. Konstruktives und integrierendes Führen ist nämlich viel schwieriger als Führen bzw. Machterhalt durch Abwertung und Einschüchterung. Für ersteres benötigen die Kinder unser Vorbild und unsere Hilfestellungen. 

Das Ansprechen des Problemverhaltens, wie es viele Anti-Mobbing Projekte tun, sehe ich als eine wenig hilfreiche Sackgasse. Es führt in der Regel kurzfristig zu Betroffenheit und Scham und bestenfalls zu einer vorübergehenden Unterlassung des unerwünschten Verhaltens. Häufig findet das Mobbing dann bald erneut, aber auf subtilere Weise statt, was es noch schwieriger macht, es zu erkennen und zu beenden.

Sue Young hat Daten über etwa 50 Unterstützergruppen gesammelt und ausgewertet und spricht von einer Wirksamkeit von 85%.  In 80% der Fälle hatte sich die Situation nach 1 bis 2 Terminen und Wochen ausreichend verbessert und blieb langfristig gut. 14 % benötigten 2-5 Termine. 

In 6% der Fälle konnte das Problem nicht (ausreichend) gelöst werden, hat sich aber nicht verschlechtert. (Quelle: Young, Sue, Solution-Focused Schools, 2009).

Ich selbst habe viele Unterstützergruppen durchgeführt, eine systematische  Datenerhebung steht noch aus. Was ich zusammenfassend über meine Erfahrungen sagen kann, ist: 

Es hat immer einen positiven Effekt gegeben, der recht schnell eingetreten ist (nie mehr als 7 Termine notwendig). In den meisten Fällen gelingt es, mit dem Unterstützungsgruppen Ansatz das Mobbingverhalten in Grundschulen schnell und effektiv zu beenden und es gibt einen Langzeiteffekt, wenn auch das Klassenklima gestärkt wird.

Der Ansatz ist leicht zu machen und braucht keine Experten von außen. Er ist für das Schulpersonal eigenständig anwendbar. Zudem werden die Eltern beruhigt und unterstützt und die evtl. angespannte Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule verbessert sich.

Dieser Ansatz ist zusammen mit dem WOWW-Klassencoaching mein wichtigstes Werkzeug in der Arbeit mit Grundschulklassen. Wobei WOWW auch in der Sek1 und Sek2 gut funktioniert.

Beide Methoden mit den Kindern und Lehrkräften weiterzuentwickeln und neue Variationen zu finden, ist ein fortlaufender kreativer Anpassungsprozess. 

Ganz im Sinne des Lösungsfokus:

Wenn etwas funktioniert, mache mehr davon!

Wenn etwas nicht funktioniert, mache etwas ander(e)s!

Wenn etwas nicht kaputt ist, repariere es auch nicht!

Beitragsbild:

Foto von Anne Nygård auf Unsplash

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